Wenn Sie von häuslicher Gewalt betroffen sind, Gewalt ausüben oder davon wissen, erklärt Ihnen feel-ok.ch, wie Sie die Gewaltspirale beenden können, warum Sie es tun sollten und wer Ihnen dabei hilft.

Inhalte
Diese Artikel interessieren die Eltern: «Streit oder Gewalt?», «Für Gewaltbetroffene: Gewalt in Familien hat immer Folgen für die Kinder», «Für Gewaltausübende: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr», «Betroffene von Gewalt unterstützen» und «Kinder stärken».

Themenübersicht

Wenn Sie Gewalt in Ihrer Beziehung erfahren, ausüben oder von Gewalt in einer Beziehung wissen, stehen Ihnen und Ihren Kindern vertrauenswürdige Unterstützungsangebote zur Verfügung.

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Gewalt in Familien hat immer Folgen für die Kinder

Wenn Kinder Gewalt zwischen den Eltern erleben, hat das Folgen für sie. Oft haben sie deswegen Angst und fühlen sich schuldig. Wenn Kinder über ihre Sorgen nicht reden können, zeigen sie ihre innere Not auf unterschiedliche Weise. Wie können Sie Ihre Kinder schützen und unterstützen?



«Am meisten schmerzt mich, was ich den Kindern angetan habe. Das Schlimmste ist, dass die Kinder gesehen haben, wie ich meine Frau schlage. Die Älteren haben geweint und „Papi, Mami“ gerufen. Die Jüngste hat dem keine grosse Beachtung geschenkt, sie ist in ihr Zimmer gegangen und hat gespielt.» 
Martin, Vater von 5 Kindern

  • Und auch wenn Kinder die Gewalt, anders als bei Martin, nicht direkt sehen: sie bekommen viel mehr mit, als die Eltern annehmen und denken. Denn Kinder nehmen Stimmungen sehr feinfühlig war – auch wenn sie unbeteiligt wirken.

Kinder, die in einem gewalttätigen Klima aufwachsen, haben oft zwei Seelen in ihrer Brust: Einerseits lieben sie ihre Eltern und sehnen sich nach ihrer Nähe und Geborgenheit. Andererseits haben sie Angst vor dem gewalttätigen Elternteil und gleichzeitig Angst um den anderen Elternteil und/oder ihre Geschwister.

Manchmal geht ihre Angst so weit, dass sie beschützen wollen und sich im Streit dazwischen stellen. Das ist nicht ihre Aufgabe. Diese Kinder müssen selber geschützt und unterstützt werden: Wie, erfahren Sie hier.

Sicher ist: Das Gefühl, dass sie sich auf ihre Eltern verlassen können und von ihnen geschützt werden, ist nicht (mehr) da. Und weil Kinder von ihren Eltern abhängig sind, erleben sie diese Situation als sehr bedrohlich. Ohnmacht und Hilflosigkeit sind häufige Gefühle dieser Kinder.

Angst, Verunsicherung und Geheimnisse

Das Erleben, dass zu Hause jederzeit etwas Gefährliches passieren könnte und dass die Gefahr von den Eltern ausgeht, löst bei den Kindern ein Klima von Angst und Verunsicherung aus.

Manchmal kommt noch Wut dazu – besonders bei älteren Kindern / Jugendlichen -, weil die Gewalt nicht aufhört. Die Kinder können wütend werden, weil der eine Elternteil sich nicht unter Kontrolle hat und vielleicht auch, weil der andere sich nicht wehrt

Die Belastung dieses "Familiengeheimnisses" wiegt schwer, denn Kinder reden oft nicht direkt über ihre Erlebnisse. Das kann daran liegen, dass es ihnen von den Eltern verboten wurde. Oder es kann auch daran liegen, dass Kinder Angst davor haben, was passiert, wenn sie jemandem vom «Familiengeheimnis» erzählen.

Sie fragen sich: «Komme ich dann ins Heim?», «Kommen meine Eltern ins Gefängnis?», «Oder bekommen sie eine Geldstrafe?». Das wollen Kinder nicht. Sie wollen nicht der Grund sein, dass ihre Eltern Schwierigkeiten bekommen.

Was betroffene Kinder dazu sagen


«Ich habe nicht mit anderen über meine Angst gesprochen. Ich habe vielleicht gesagt, ich hatte einen Albtraum von bösen Wölfen, oder von sonst so Sachen, die einem Kind Angst machen können – aber nicht davon, was mir tatsächlich Angst gemacht hat: Das Schwere, Erdrückende.» 
Cécile.


«Ich hatte immer das Gefühl, dass ich es bin, der nicht genügt, dass ich es bin, der schlecht ist und den man fertigmachen muss. Ich hatte immer das Gefühl, mit mir stimmt etwas nicht. Und zum Teil habe ich auch gedacht: Verdiene ich das?» 
Nicola.


Cécile und Nicola haben als Kind Gewalt zwischen ihren Eltern miterlebt. Heute sind sie erwachsen und erzählen von ihren Erfahrungen im Film «Kind – Konflikt und Krise».

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«Kind – Konflikt und Krise»

Schuldgefühle 

Kinder beziehen Streit zwischen den Eltern sehr schnell auf sich und fühlen sich schuldig. Vor allem dann, wenn es beim Streit um das Kind geht und sein Name fällt. Das Kind glaubt dann, dass es sich verändern oder verbessern muss, damit der Streit aufhört. Doch Kinder tragen nie die Schuld an Gewalt zwischen Eltern; nur wissen sie das häufig nicht.

Kinder lieben ihre Eltern. Und wenn ein geliebter Mensch etwas Schlimmes tut, ist das schwer einzuordnen. Obwohl das Kind merkt, dass es weh tut und falsch ist, was der Vater oder die Mutter macht, liebt es sie trotzdem.

Deswegen denken Kinder oft: «Ich muss es einfach richtig machen oder noch besser machen». Oder «Ich muss noch mehr zeigen, wie gern ich Mama und Papa habe, damit alles wieder gut wird». Das führt dazu, dass die Kinder sich eine viel zu grosse Verantwortung aufladen. Und dann können sie nicht das tun, was sie tun sollten, nämlich Kind sein. 

Die Folgen von Häuslicher Gewalt für die Kinder

Wenn Kinder sich zu Hause unsicher oder ohnmächtig fühlen, Angst und Schuldgefühle haben, dann zeigen sie ihre innere Not je nach Alter auf unterschiedlicher Weise – oft auch ohne Worte. Zum Beispiel:

  • Säuglinge und Kleinkinder neigen dazu viel zu weinen, wenig oder gar nicht zu spielen und/oder zeigen ein unruhiges, auffälliges Verhalten.

  • Kindergarten- und Schulkinder sind oft ängstlich und unsicher oder weisen ein depressives Verhalten auf, sie ziehen sich vor anderen Menschen (auch anderen Kindern) zurück, ihr Verhalten ist störend, auffällig und/oder aggressiv. Es kommt vor, dass sie sich nicht konzentrieren können, was zu schlechten Schulleistungen und als Folge daraus zu neuem Streit zwischen den Eltern führen kann. Weitere «Symptome» häuslicher Gewalt können Bettnässen, Schlafprobleme und Alpträume wie auch unerklärliche Bauch- und Kopfschmerzen sein.

  • Im Jugendalter kann häusliche Gewalt zusätzlich noch den Suchtkonsum von Zigaretten, Shisha, AlkoholCannabis und sonstigen Drogen begünstigen und/oder zu anderen selbstschädigenden Verhaltensweisen wie Selbstverletzungen und Suizidversuchen führen.

 

Angst und Stress wirken sich auf die Gesundheit aus: So haben diese Kinder bis ins Erwachsenenalter ein erhöhtes Risiko, zu erkranken (körperlich oder psychisch). Weil der Alltag durch die Gewalt durcheinander gerät, können diese Kinder nicht mehr unbeschwert spielen und ihren eigenen Interessen nachgehen sowie ihre eigenen Ziele und Entwicklungsaufgaben verfolgen (Freundschaften pflegen, sich von den Eltern lösen, sich auf die Berufswahl fokussieren usw.).

Gewalt zwischen den Eltern prägt zukünftige Beziehungen ihrer Kinder

Kinder, die in einem von Gewalt geprägten Umfeld aufwachsen, «lernen» durch das Vorbild der Eltern, dass man sich mit Gewalt durchsetzen kann. Gleichzeitig lernen sie nicht, Konflikte auf eine andere Art zu lösen. Das führt häufig dazu, dass sie in ihren eigenen Beziehungen die gleichen Probleme haben wie schon ihre Eltern: sie setzen selbst Gewalt ein oder erdulden Gewalt von ihrem Partner oder ihrer Partnerin. Und das oft bereits in der ersten Liebesbeziehung im Jugendalter!

Daher unsere dringende Empfehlung:

Kinder müssen geschützt und unterstützt werden!

Dadurch wird sich die unsichere, beängstigende und stressige Situation für das Kind nicht sofort auflösen. Deshalb ist es - so oder so - auch wichtig, das Schweigen zu brechen und mit dem Kind (seinem Alter entsprechend) über die Situation zu reden. Auch eine Entschuldigung gehört dazu. Erklären Sie dem Kind, dass es für diese familiären Probleme keine Schuld trägt, sagen Sie ihm, dass es nicht dafür verantwortlich ist.

Weitere Empfehlungen:

  • Vermeiden Sie es unbedingt, gewalttätige Auseinandersetzungen vor den Kindern auszutragen und vor dem Kind schlecht und abwertend über die Partnerin oder den Partner zu sprechen.
  • Besprechen Sie mit dem Kind, was es im Notfall tun kann: zu den Grosseltern, zu Nachbarinnen/Nachbarn, zum Gotti oder Götti oder anderen Vertrauenspersonen gehen und ihnen erzählen, was passiert ist.
  • Schaffen Sie Räume, wo das Kind sich austoben und erholen, wo es selbst etwas tun und vielleicht kreativ sein kann, wo es Freundschaften pflegen kann. In Kürze: wo es Kind sein kann.
  • Es ist möglich, dass Ihr Kind professionelle Unterstützung braucht, damit es gestärkt werden kann, damit es sich nicht allein fühlt, damit es seine Not ausdrücken kann und gehört wird.
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